Die deutschen Unternehmen haben auf Krisenmodus umgestellt und bieten weniger Zahlungsziele an. Das ist ein Ergebnis der jüngsten Studie des Kreditversicherers Coface zu den Zahlungserfahrungen deutscher Unternehmen. „Gleichzeitig hat die Disziplin, pünktlich zu zahlen, zugenommen. Während 2019 noch 85 Prozent der Unternehmen über Zahlungsverzögerungen berichteten, waren es jetzt nur noch 68 Prozent“, erläutert Christiane von Berg, Coface Ökonomin und Autorin der Studie, die deutlichen Veränderungen zur Vorjahresbefragung.
2020 räumten nur noch 62 Prozent der Teilnehmer ihren Kunden Zahlungsziele ein. Das sind deutlich weniger als die 81 Prozent im Jahr 2019. In den ersten beiden Umfragen des Kreditversicherers lagen die Werte jeweils über 80 Prozent (2017: 83 Prozent, 2016: 84 Prozent). Die Unternehmen auf dem deutschen Markt sind besonders vorsichtig und die Haupttreiber dieser Entwicklung. 2020 ging die Anzahl der Unternehmen auf 58 Prozent zurück. Der Vergleichswert im Jahr zuvor lag bei 80 Prozent. 2019 war kein Unterschied zwischen inländisch orientierten und exportierenden Unternehmen zu sehen. Beide lagen bei rund 80 Prozent.
Niedrigste Zahlungsverzögerungen der letzten Jahre
Die durchschnittliche Zahlungsfrist verringerte sich um drei Tage, von 37 Tagen im Jahr 2019 auf 34 Tage im Jahr 2020. Die Hälfte der befragten Unternehmen forderte Zahlungen zwischen 0 und 30 Tagen. Diese Entwicklung hat in Deutschland seit dem COVID-19-Ausbruch merklich zugenommen: von 43 Prozent im Jahr 2019 auf 50 Prozent Mitte 2020. „Im Moment können wir nicht bestimmt sagen, ob dies alles durch die COVID-19-Krise verursacht wurde, oder ob es Teil einer neuen Norm ist“, sagt von Berg. „Dies wird erst durch die Daten der folgenden Jahre geklärt werden können. Dennoch ist der Anteil der gemeldeten Zahlungsverzögerungen mit 68 Prozent bei weitem der niedrigste in unseren bislang vier Umfragen seit 2017.“
Starke Unterschiede bei Branchen
Während die Zahlungsverzögerungen zwischen 2019 und 2020 insgesamt im Durchschnitt nur um einen Tag kürzer ausfielen, sind die Werte in den Branchen sehr unterschiedlich. „Als „positive Überraschung“ stellte sich die Pharma-Chemie-Branche heraus“, erläutert die Ökonomin. „Hier gingen die Überziehungen von 2019 auf 2020 um fast eine Woche auf 27 Tage zurück. Umgekehrt erfuhr der Automobilsektor um 20 Tage längere Verzögerungen. Während die Zahlungsverzögerungen im Automobilsektor mit der sehr negativen Geschäftsentwicklung zu erklären sind, verzeichnete ebenso der Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) eine deutliche Verlängerung der Zahlungsverzögerungen um rund 14 Tage. Mit knapp 48 Tagen Überziehung erreicht diese Branche den Spitzenplatz. Das überrascht, da dieser Sektor vom Lockdown und der weiter anhaltenden Arbeit im Homeoffice profitiert“, analysiert von Berg.
Der Transport-Sektor war 2020 jene Branche mit den schnellsten Zahlungen in Deutschland: 43 Tage von der Rechnungstellung bis zum Zahlungseingang inklusive Überziehung. Das ist ein Rückgang um 22 Tage gegenüber 2019. Dagegen gehört IKT nun zu den Sektoren, in denen die Hersteller sehr geduldig sein müssen. Sie warten im Durchschnitt 71 Tage, bis das Geld eingeht, und damit 11 Tage länger als im Jahr zuvor.
Neue Hauptrisiken
Die Hauptrisiken für das Exportgeschäft haben sich stark verändert. Während 2019 der Handelskonflikt zwischen den USA und China als Risiko Nummer 1 genannt wurde, ist dies im Risikospektrum des Jahres 2020 nur noch marginal. Stattdessen nannten drei Viertel der über 750 befragten Unternehmen COVID-19 und seine Auswirkungen auf die globale oder die deutsche Wirtschaft als Hauptrisiko neben der pandemiebedingten Unterbrechung von Produktionsketten. „Dennoch sind Risiken wie der Brexit, der seit unserer Umfrage 2017 genannt wird, nicht verschwunden und könnten mit einem No-Deal-Brexit, der sich für 2021 abzeichnet, wieder dringlicher werden“, erwartet Christiane von Berg. „Somit ist Deutschland selbst mit einem etwas positiveren Konjunkturausblick für 2021 noch weit davon entfernt, aus dem Krisenmodus herauszukommen.“
Deutschland und die EU Favoriten
Im Jahr 2020 bleibt Deutschland in dieser Umfrage das Land mit den größten Chancen. Die Bedeutung Deutschlands stieg sogar von 81 auf 91 Prozent. „Ein Grund könnte darin liegen, dass Unternehmen in unsicheren Zeiten dazu neigen, in den Ländern zu operieren, die sie am besten kennen, und sich naturgemäß stärker an ihrer Heimatregion orientieren“, meint die Coface Ökonomin. So ist der Anteil der Unternehmen, die die EU bevorzugen, unverändert, während die Erwartungen für andere wichtige Exportziele wie China oder die USA deutlich zurückgegangen sind.