Die eskalierten Spannungen zwischen Russland und der Ukraine bremsen den wirtschaftlichen Erholungsprozess und sorgen für Aufruhr an den Finanzmärkten. Die Sanktionen gegen Russland und Gegenreaktionen führen zu einem deutlichen Preisanstieg bei Energie- und Rohstoffpreisen. „Bereits jetzt ist die Lage an den Energie- und Rohstoffmärkten angespannt, der Konflikt sorgt für zusätzlichen Druck“, ordnet Dagmar Koch, Country Managerin Coface Österreich, die wirtschaftlichen Auswirkungen ein.
Besonders betroffen sind die europäischen Volkswirtschaften. Rund 40 Prozent der europaweiten Gasversorgung stammt aus Russland. „Europas Abhängigkeit von russischem Öl und Gas wird sich deutlich im Inflationsgeschehen widerspiegeln“, erklärt Koch. Coface schätzt, dass die zusätzliche Inflation im Jahr 2022 mindestens 1,5 Prozent betragen wird. Der als Folge sinkende Privatkonsum, der zu erwartende Rückgang der Unternehmensinvestitionen und der Exporte wird das erwartete BIP-Wachstum in der Europäischen Union von 4 Prozent, nach derzeitigen Einschätzungen, um etwa ein Prozent senken.
Österreichs Unternehmen gut abgesichert
Obwohl einzelne Bereiche stark vom Konflikt betroffen sind, halten sich die gesamtwirtschaftlichen Folgen derzeit in Grenzen. Grund dafür ist die, mit Ausnahme von Öl und Gas, geringe Abhängigkeit von Importen aus Russland. Obwohl rund 650 österreichische Unternehmen Niederlassungen in Russland haben, ist der daraus zu erwartende Schaden überschaubar. „Die österreichischen Unternehmen, die in Russland und der Ukraine tätig sind, profitieren eindeutig von ihren diversifizierten Strategien. Der wirtschaftliche Schaden wird für so gut wie all diese Unternehmen verkraftbar sein“, relativiert Koch den Einfluss auf die österreichische und europäische Wirtschaft.
Deutliche Folgen für russische Wirtschaft
Während sich, mit Ausnahme einzelner Bereiche, die gesamtwirtschaftlichen Folgen für Europa im Rahmen halten, hat der militärische Angriff auf die Ukraine nachhaltige Folgen für die russische Wirtschaft. Die weitreichenden Sanktionen im Zahlungsverkehr sorgen für große Schwierigkeiten, denn während der Rubel weiter fällt, steigen Verbraucherpreise stark an. „Wir erwarten, dass Russland auf eine starke Rezession zusteuert und das russische BIP um 7,5 Prozent sinken wird“, sagt Dagmar Koch.
Höhere Preise im Agrar- und Lebensmittelsektor erwartet
Obwohl die höheren Preise für Europa nur in einzelnen Bereichen spürbar sind, hat der Konflikt starke Auswirkungen auf den globalen Agrar- und Lebensmittelsektor. „Der Konflikt betrifft die Kornkammer der Welt, das wird sich bei den Verbraucherpreisen für Getreideprodukte, Fleisch und Speiseöl zeigen“, sagt Koch. 2019 entfielen global 25 Prozent der Weizenexporte, 17 Prozent der Mais-Exporte und 21 Prozent des Gerste-Exports auf Russland und die Ukraine. Betroffen sind folglich auch die Preise für Fleischprodukte, da Mais und Gerste wichtige Futtermittel in der Nutztierhaltung sind. Zudem sind Russland und die Ukraine für 75 Prozent des Exports von Sonnenblumenöl und Distelöl verantwortlich.
Einschränkungen im Verkehr
Weitreichende Auswirkungen haben die Sanktionen für die Transportbranche. Schon jetzt liegt bei Fluggesellschaften der Gesamtkostenanteil für Treibstoff bei etwa einem Drittel. Die Schließung des russischen Luftraums für Fluggesellschaften aus der Europäischen Union und Kanada führen für diese jedoch zu noch längeren Strecken. „Aufgrund des geringen Passagieraufkommens durch die Corona-Krise ist das Kostenkorsett der Fluggesellschaften ohnehin schon sehr eng“, betont Koch die schwierige Situation. Mit einer Unterbrechung rechnet Coface im Schienengüterverkehr zwischen Asien und Europa, der über Russland geleitet wird. Die Sanktionen verbieten es europäischen Unternehmen, mit der russischen Eisenbahn Geschäfte zu machen.