Corona-Pandemie bremst Erneuerbare Energie-Boom

Erneuerbare Energien werden zu starkem Faktor in Lateinamerika

Die COVID-19-Krise bremst den weltweiten Boom der Erneuerbaren Energien, der über die letzten 20 Jahre stark angewachsen ist. Grund dafür waren die aufgrund der Pandemie unterbrochenen Lieferketten und die Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Zudem ist der Zugang zur Finanzierung erheblich erschwert worden. Investitionen wurden vielfach verschoben. „Das betrifft sowohl Projekte, die bereits gestartet sind, als auch solche, die in Planung waren“, erläutert Declan Daly, CEO für Zentral- und Osteuropa bei Coface. „Die geringe Nachfrage und das Überangebot während der Lockdowns in der ganzen Welt haben die Strompreise sinken lassen. Sie dürften weiter stark volatil bleiben“, so Daly, der auf Basis der jüngsten Analyse mittel- und langfristig eine positive Entwicklung für Erneuerbare Energien weltweit erwartet. Der Erfolg oder Misserfolg ihrer künftigen Entwicklung werde allerdings stark vom lokalen politischen und regulatorischen Umfeld abhängen.

„Generell ist die Integration Erneuerbarer Energien in das Stromnetz für die Regierungen weltweit, sowohl in den Industrie- als auch in den Schwellenländern, keine bloße Option mehr, auch wenn sie in einigen Regionen mit starkem Gegenwind konfrontiert sind“, sagt Daly. So ist etwa in Lateinamerika die Wasserkraft, historisch und geologisch gesehen, die wichtigste erneuerbare Stromquelle. Die Entwicklung von Solar- und Windprojekten werden gleichzeitig, dank ihrer Kosteneffizienz, forciert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts bezogen viele lateinamerikanische Länder, dank des großen Wasserpotenzials des Kontinents, bereits den größten Teil ihrer Elektrizität aus erneuerbaren Quellen. Im Jahr 2000 wurde mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Elektrizität Lateinamerikas aus Wasserkraft gewonnen. In dem Jahr waren in Ländern wie Brasilien, Kolumbien, Costa Rica, Ecuador, Paraguay und Uruguay über 50 Prozent der installierten Energiekapazität an erneuerbare Ressourcen gebunden - hauptsächlich dank der Wasserkraft. Dennoch begann Lateinamerika, ähnlich wie andere Regionen, in den folgenden Jahren auch mit der Entwicklung anderer Quellen Erneuerbarer Energien.

Starke Entwicklung in Brasilien, Chile und Mexiko

In den drei größten lateinamerikanischen Energiemärkten - Brasilien, Chile und Mexiko - verzeichneten die erneuerbaren Stromkapazitäten in den letzten 20 Jahren eine relativ starke Entwicklung. Der Blick auf die Anteile der genutzten Energiearten zeigt, dass Chile und Mexiko anteilig noch deutlich mehr fossile Energiequellen nutzen als etwa Brasilien. Dort ist Wasser der größte Energierohstoff.

In Chile stiegen die Kapazitäten für Erneuerbare Energien in dem Zeitraum von 2001 bis 2019 um 158 Prozent, in Mexiko um 136 Prozent und in Brasilien immerhin um 123 Prozent. Während in Brasilien die Investitionen in Erneuerbare Energien hauptsächlich von der Wasserkraft angetrieben wurden, mit 77 Prozent der gesamten erneuerbaren Kapazität, die in diesem Zeitraum in das Netz eingespeist wurde, begann gleichzeitig die Entwicklung der Wind- und Bioenergie mit einem Beitrag von 11 Prozent bzw. 10 Prozent. In Chile hingegen kamen die Investitionen hauptsächlich aus der Solarenergie (38 Prozent), gefolgt von Wasserkraft (32 Prozent) und Windenergie (23 Prozent). In Mexiko wurden sie von der Wind- (44 Prozent), der Sonnen- (30 Prozent) und der Wasserkraft (20 Prozent) angeführt.

Chile mit ehrgeizigen Zielen

Chile scheint der für die nächsten Jahre am besten positionierte lateinamerikanische Markt für die Entwicklung Erneuerbarer Energien zu sein. Nach Schätzungen der nationalen Energieregulierungs-behörde des Landes, der Comisión Nacional de Energía (CNE), hat das Land das Potenzial, 40 Gigawatt (GW) Windkraft, 12,5 GW Wasserkraft, über 1.000 GW Solarenergie und 2 GW geothermische Energie zu entwickeln. Chile hat zudem einen sehr guten Ruf hinsichtlich der Regulatorik und fühlt sich der globalen Forderung zur Dekarbonisierung augenscheinlich stärker verpflichtet als Mexiko und Brasilien.

Als Beispiel für das nachdrückliche Interesse an der Entwicklung Erneuerbarer Energien im Land präsentierte Chile im April 2020 seine geplanten national festgelegten Beiträge (INDC) als Teil des Pariser Klimaabkommens - einschließlich Investitionsmöglichkeiten, die bis 2050 auf 27,3 bis 48,6 Milliarden USD geschätzt werden. Das Konzept sieht ein CO2-Reduktionsziel von rund 30 Prozent bis 2030 und eine Klimaneutralität ab 2050 vor.

Darüber hinaus wird sich der Plan auf sechs Schlüsselbereiche konzentrieren: Effizienzsteigerung im Bergbau und in der Industrie mit 25 Prozent der Gesamtemissionsreduzierung, Produktion und Verbrauch von Wasserstoff (21 Prozent), Standards für nachhaltiges Bauen für Haushalte, gewerbliche und öffentliche Gebäude (17 Prozent), elektrifizierter Verkehr (17 Prozent), die Stilllegung von Kohlekraftwerken bis 2040 (13 Prozent) und andere Effizienzmaßnahmen (7 Prozent). Diese Werte sind in einem Gesetzentwurf enthalten, der derzeit im Kongress diskutiert wird.

Allerdings haben die massiven sozialen Proteste im Jahr 2019 und der Ausbruch von COVID-19 Besorgnis ausgelöst. Im April 2020 schickten mehrere Unternehmen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien eine Protestnote an den Energieminister. Sie kritisierten Änderungen der Vorschriften in den Jahren 2019 und 2020, insbesondere den im vergangenen Jahr eingerichteten Preisstabilisierungsfonds – ein Übergangsmechanismus, um Preiserhöhungen für Haushalte zu verhindern – und die Entscheidung, den Verteilungsunternehmen zu untersagen, Familien, die ihre Rechnungen während des Ausnahmezustands nicht bezahlt haben, den Strom abzuschalten. Diese Maßnahmen hatte die Regierung am 18. März zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie verhängt.

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Autor

Carina Reile

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